Alles Bio, oder was?

Was wirklich hinter Bio steckt.

„Gesund leben“ liegt im Trend, das zeigt die Entwicklung der Fitness-, Gesundheits- und Wellnessbranche schon seit Jahren. So haben zum Beispiel schon mehr als 11,3 Mio. Menschen einmal Yoga gemacht, andere radeln sich fit oder wandern durch Europa – alles für die Gesundheit.

Auch „Fasten“, „Healthy Food“ und „Superfood“ sind aktuelle Trends im Bereich der Ernährung, um gesund und bewusst zu leben. Bei vielen Verbrauchern spielt die Ernährung eine immer größere Rolle. Viele Verbraucher sind daher auf Bio-Lebensmittel umgestiegen, weil sie sich davon gesündere Nahrungsmittel und damit auch ein gesünderes Leben versprechen.

Robert Kecskes von der GfK kommentiert: „Bio ist inzwischen Mainstream und wird von den Verbrauchern nicht mehr hinterfragt, sondern erwartet“, Ein Satz, der zu denken gibt.

Ist Bio gesund? Mit wissenschaftlichen Studien lässt sich das heute noch nicht belegen und Wissenschaftler, die sich mit dem Thema Ernährung und Gesundheit beschäftigen, zeigen sich bei der Frage irritiert.

Bürger sind verunsichert

61 Prozent der Bundesbürger sind einer aktuellen repräsentativen Umfrage einer deutschen gesetzlichen Krankenversicherung zufolge völlig verunsichert und beklagen: „Es gibt so viele unterschiedliche Empfehlungen zur Ernährung. Ich weiß gar nicht mehr genau, was richtig oder falsch ist.“ Außerdem gaben 70 Prozent der Befragten an: „Essen sollte schmecken und satt machen. Das ist das Wichtigste. Was gesund für mich ist, kann nur ich selbst entscheiden.“

Dass wir durch eine gesunde Ernährung einen wertvollen Beitrag zu unserem allgemeinen Wohlbefinden leisten, ist inzwischen den meisten Verbrauchern bekannt, schließlich gehört zu einem gesunden Lebensstil auch ausgewogenes Essen.

Unsere Gesundheit ist allgemein ein sehr kostbares Gut. Leider steigen die Krankheitsfälle durch falsche Ernährung seit Jahren an, man spricht hier von ernährungsbedingten Erkrankungen. Doch das kann man verhindern: Vielseitig und frisch sollten unsere Lebensmittel sein – und am liebsten Bio.

Bio oder doch nicht Bio?

Bio-Supermärkte schießen wie Pilze aus dem Boden, auch einzelne Discounter überbieten sich gegenseitig mit Bio-Produkten. Doch woher kommt diese Entwicklung? Tatsache ist: Das Geschäft mit Bio-Lebensmitteln boomt seit Jahren.

Man halte sich vor Augen: Rewe hat ein Filialnetz von rund 10.719 Märkten, davon 3.300 REWE-Märkte in Deutschland. Edeka hat mehr als 7.000 Filialen in Deutschland. Zudem gibt es 4.300 Netto-Märkte, Lidl mit über 3.200 Märkten und rund 1.000 Kaufland-Filialen. Hinzu kommen noch fast 4.500 Aldi Süd und Aldi Nord Filialen. Insgesamt gibt es mehr als 35.000 Lebensmittel-Märkte in Deutschland und alle bieten inzwischen zahlreiche Bio-Produkte an. „Wie kann das sein?“, fragt sich so mancher Verbraucher, und woher kommen die Millionen Tonnen Bio-Lebensmittel?

Wo Öko draufsteht, ist auch Öko drin?

Wir haben mal nachgeschaut: Die Bio-Kartoffeln kommen aus Ägypten, die Äpfel aus Italien, der Weizen aus Rumänien, Getreide aus Kasachstan und Eier aus Italien, Karotten aus Israel, Gurken aus Spanien oder Bulgarien. Nach den USA ist Deutschland der zweitgrößte Biomarkt der Welt, immer mehr Bio-Lebensmittel müssen daher importiert werden. Auch 95 Prozent der Bio-Paprika kommt aus dem Ausland, Sonnenblumenkerne und Hirse kommen aus China, und 88 Prozent der Bio-Tomaten stammen auch nicht aus Deutschland.

Produkte mit dem Öko-Siegel haben daher wenig Aussagekraft. Bio-Obst und Gemüse vom Discounter erfüllen gerade mal die Mindestanforderungen an ein Bio-Produkt, mehr aber auch nicht. Wie der Bund Ökologischer Lebensmittelwirtschaft berichtet, wurden im vergangenen Jahr mehr als zehn Milliarden Euro auf dem Bio-Markt umgesetzt.

Vertrauen ist gut…

Dabei sind Bio-Produkte aus dem Supermarkt kaum gesünder als herkömmliche Lebensmittel, wie eine Studie der Universität Stanford bestätigte. Zu dem gleichen Ergebnis ist die Stiftung Warentest gekommen. Vorsicht ist vor allem beim Discounter geboten, schrieben sie. „Bio-Philosophie? Fehlanzeige! Oft produziert nur ein Teil des Betriebes Bio, es geht um Masse, nicht um Klasse“.

Über 60 Prozent aller Bio-Produkte werden in Supermärkten und von den Discountern verkauft, während die Naturkostfachhändler, also die echten Bio-Händler, immer weniger Wachstum aufweisen. Sie werden regelrecht von der Marktmacht der großen Ketten verdrängt, auch weil sie mit den Preisen der Discounter nicht mithalten können. Trotzdem konnten die Naturkostläden im letzten Jahr wieder leicht an Wachstum gewinnen.

Die Wirtschaftswoche schrieb 2018: Aldi und Co. setzen den Bio-Fachhandel unter Druck. „Discounter und Supermärkte haben sich bereits rund zwei Drittel des Bio-Marktes gesichert. Und sie geben weiter Gas.“

Alle Händler müssen reagieren, denn die Kunden haben immer wieder neue Wünsche. 50 Standort-Neueröffnungen standen im vergangenen Jahr 101 Schließungen gegenüber, so die Geschäftsführerin des Bundesverbandes Naturkost Naturwaren (BNN), Elke Röder im Spiegel.

Fragt man bei den Discountern nach, woher die Ware kommt, kommt häufig folgende Aussage: Es ist aus „datenschutztechnischen Gründen“ die Verfolgung der Ware nur bis zum Abpacken möglich, wie der NDR berichtete. Mit anderen Worten, der Verbrauer wird im Ungewissen gelassen und nicht informiert, woher die Ware kommt.

Doch eines wird deutlich: Die Verbraucher verlangen zunehmend Bio-Produkte, die Händler müssen liefern und auch dass man bei einem Milliarden Markt nicht so genau hinschaut, ob alles nach den Vorgaben der EU angebaut wird, sollte keine Überraschung sein.

Wie der „Spiegel“berichtet, haben sich im Juni 2017 Vertreter des EU-Parlaments und der EU-Mitgliedsstaaten bereits auf strengere Kontrollen von Bio-Lebensmittel-Importen geeinigt, diese strengeren Kontrollen gibt es aber erst ab 2021 und neben der Produktion sollen auch die Lieferketten strenger kontrolliert werden, heißt es.

Was heißt eigentlich Bio?

Alles muss artgerecht gehalten werden, das gilt für Tiere, dessen Fleisch, Fisch und Eier wir verzehren. Der Einsatz von Antibiotika oder Wachstumshormonen ist untersagt. In Bio-Lebensmitteln dürfen nur bis zu fünf Prozent nicht ökologisch erzeugte Zutaten enthalten sein.

Der Einsatz von Chemikalien oder Düngern ist ebenfalls nicht erlaubt. Auch wenn sich das zunächst gut anhört, ist nicht klar, ob die Überprüfung in anderen Ländern derer in Deutschland gleichzusetzen sind.

Herkunftsangaben

Eine Angabe über die Herkunftsländer der Rohstoffe ist für Bio-Lebensmittel Pflicht. Stammen alle Rohstoffe aus demselben Land, kann der Name dieses Landes angegeben werden. Andernfalls werden folgende Angaben unterschieden: „EU-Landwirtschaft“, wenn die landwirtschaftlichen Rohstoffe in der Europäischen Union erzeugt wurden, „Nicht-EU-Landwirtschaft“, wenn sie in Drittländern erzeugt wurden und „EU-/Nicht-EU-Landwirtschaft“, wenn sie zum Teil in der Europäischen Union und zum Teil in einem Drittland erzeugt wurden.

Einschätzung aus Sicht der Verbraucherzentrale

Aus Sicht der Verbraucherzentrale ist die Aussagekraft der Herkunftsangaben „EU“ bzw. „Nicht-EU“ sehr gering. Vor allem die Kennzeichnung „EU-/Nicht-EU-Landwirtschaft“ ist nicht hilfreich für Verbraucher, die Wert auf die Herkunft von Produkten legen. Eine Umfrage des Verbraucherzentrale Bundesverbandes zeigt allerdings, dass Verbraucher/innen sehr wohl wissen wollen, woher ihre Lebensmittel kommen.

Die Verbraucherzentralen fordern konkretere Angaben der Herkunftsländer auf Bio-Lebensmitteln. Wenn alle Rohstoffe aus einem Land kommen, sollte dieses Land verpflichtend benannt werden.

Nur die Naturkostläden haben zu 100 Prozent Bio-Qualität!

Der Naturkostfachhandel wird überwiegend von Inhabern geführt, nur wenige haben mehr als zwei Filialen. Neben den inhabergeführten Läden gibt es nur einige wenige Ketten und Direktvermarkter, die in Hofläden und auf Bio-Wochenmärkten ihre Waren anbieten.

Zudem haben die Bio-Fachhändler ein Beratungsplus und bieten überwiegend Bio-Produkte regionaler und saisonaler Herkunft an. Die kurzen Transportwege schonen zudem das Klima und die Umwelt, was viele Verbraucher heute im Zeichen des Klimawandels sehr befürworten. Die Fachhändler stehen jedoch vor einem großen Problem, da die Discounter ihnen das Leben immer schwerer machen.

Doch Not macht ja bekanntlich erfinderisch: Die Fachhändler sind dazu übergegangen, ihre Läden zu sozialen Bezugspunkten zu machen, indem sie ein kleines Bistro oder ein Café in den Laden integrieren. „Hier treffen sich Menschen, denen der Schutz von Umwelt und Klima wichtig ist und die mit dem Einkauf dazu beitragen wollen, die Welt ein Stück besser zu machen“, so Elke Röder.

Und wie es ausschaut, geht das Konzept auf. Die Fachhändler konnten im vergangenen Jahr erstmals wieder deutlich zulegen und verzeichneten ein Umsatzplus von 5,2 Prozent.

Billiger und keine Umwege?

Verbraucher reden oft anders als sie handeln: Eine aktuelle Marktstudie des Marketingunternehmens AMM hat gezeigt, dass die Bio-Offensive von Aldi, Rewe und Co. bei den Verbrauchern gut ankommt.

60 Prozent der Befragten gaben an, sie fänden es gut, dass man Bio inzwischen auch bei Edeka, Rewe, Aldi und Lidl kaufen könne. Das sei billiger als in den Fachgeschäften und außerdem müsse man beim Einkauf dadurch keinen Umweg machen, fanden viele der Befragten.

Den Verbrauchern sollte dennoch folgendes klar sein: Billiger muss nicht zwangsläufig besser sein. Wenn sie also wirklich was für ihre Gesundheit tun wollen, sollte ein kleiner Umweg vielleicht auch eine Option sein, über die man nachdenken sollte. Elke Röder, Geschäftsführerin des Bundesverbandes Naturkost Naturwaren (BNN), sieht Bioprodukte im Supermarkt ebenfalls ambivalent.

Gut zu wissen: Nur die Siegel-Anbieter „Naturland“, „Demeter“ und „Bioland“ machen deutlich strengere Vorgaben an die Erzeuger. Zum Beispiel ist hier auch mit Antibiotika belasteter Tierdünger nicht erlaubt. Nach EG-Öko-Verordnung sind rund 45 Stoffe erlaubt, bei Bioland 22, bei Demeter nur 20. Echtes Bio lohnt sich für den Verbraucher, für die Umwelt und für das Tier sowieso.

Unsere Empfehlung lautet: Am glaubwürdigsten sind die Direktvermarkter mit den besten Produkten. Besuchen Sie die Bio-Wochenmärkte und natürlich die Bio-Höfe in Ihrer Umgebung.

Achten Sie darauf, was auf Ihren Teller kommt! Und legen Sie Wert auf saisonale und regionale Lebensmittel!

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