Einsamkeit in Deutschland

Wie sieht es hierzulande aus?

In einem unserer letzten Blogbeiträge haben wir erfahren, wie es mit der Einsamkeit rund um die Welt aussieht. Wir haben erfahren, dass Einsamkeit zu einer Volkskrankheit mit weitreichenden Folgen geworden ist, und das global.

Wir haben erfahren, dass fast 50 Millionen Menschen in der europäischen Bevölkerung sich nicht mal einmal im Jahr mit Freunden oder Verwandten treffen. Sie leben in Isolation.

Das Rote Kreuz sprach im Zusammenhang mit Einsamkeit und Isolation von einer „Epidemie im Verborgenen“, die alle Menschen treffen könne. Wir wissen nun auch, dass es in England ein Einsamkeitsministerium gibt und dass in Amerika schon fast der Einsamkeits-Notstand herrscht.

Und wie sieht es bei uns aus?

Die Corona-Krise verschärft auch in Deutschland das Problem zunehmend, und keiner kann uns sagen, wie lange die Krise noch andauern wird

Der Zukunftsforscher Horst Opaschowski sagte im Gespräch mit Welt-Online: Die größte und zugleich beunruhigendste Veränderung sehe er auf der Gefühlsebene. Was ihm aber die mit Abstand größte Sorge bereite, sei die Ausbreitung von Einsamkeit.

Die Corona-Krise mit dem „social distancing“ und der Abschottung alter Menschen ist ein dramatischer Katalysator. Kontaktarmut wird die größte Altersarmut werden. Der Kampf gegen die Einsamkeit ist eine der dringendsten Aufgaben für die Politik.

Einsamkeit sei die Geißel des 21. Jahrhunderts, sagte jüngst auch Papst Franziskus. Diana Kinnert, die Publizistin, Unternehmerin und CDU-Vordenkerin hat das Thema zu ihrem gemacht. In Großbritannien half sie mit, das Einsamkeitsministerium zu entwickeln, das seit 2018 existiert. Sie sagte: „Man muss gar nicht Katholik sein, um den Menschen als christlich-soziales Wesen ernst zu nehmen. Auch Barack Obama oder andere moderne Politiker sagen, dass Einsamkeit die soziale Regression des 21. Jahrhunderts ist“.

Immer mehr Deutsche leiden unter Einsamkeit. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der FDP hervor, wie die „Rheinische Post“ berichtete. Demnach ist die sogenannte Einsamkeitsquote bei den 45- bis 84-Jährigen von 2011 bis 2017 um rund 15 Prozent gestiegen. Für das Corona-Krisenjahr 2020 liegen noch keine Ergebnisse vor, sie dürften erschreckend ausfallen.

Auf die Anfrage der FDP antwortete die Bundesregierung im letzten Jahr, sie wisse nicht, wie hoch die gesundheitlichen Kosten durch vereinsamte Menschen ausfielen. Mit anderen Worten: Die Politik wartet ab, vielleicht wartet sie zu lange. Wenn aus dem Mangel an sozialen Kontakten Krankheiten wie Depressionen werden, wird es teuer für unser Gesundheitssystem.

Noch ein schlimmes Beispiel: 40 Prozent aller lebenswichtigen Krebsoperationen können derzeit in den Krankenhäusern nicht durchgeführt werden, weil die Kapazitäten für mögliche Corona-Fälle freigehalten werden müssen. Das gleiche gilt für alle anderen Operationen, auf die viele Patienten und deren Angehörige derzeit vergeblich warten.

Mit Verweis auf wissenschaftliche Studien schreibt die Bundesregierung, dass durch die Corona-Krise insbesondere soziale Isolation auftrete und den Verlauf chronischer Krankheiten ungünstig beeinflusse. So zeigen sich Zusammenhänge mit Bluthochdruck und anderen wichtigen Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen sowie psychischen Erkrankungen und Demenz. Das Problem: Es fehlt eine Strategie zur Bekämpfung der Einsamkeit. Die Auswertung von 148 Studien zeigt: Einsame sterben eher.

Menschen brauchen Sozialkontakte so nötig wie Essen

Für die Gesundheit des Menschen dürften positive Sozialkontakte ebenso wichtig sein wie Essen oder Schlafen. Dies haben Forscher um Livia Tomova vom MIT (Massachusetts Institute of Technology) in einem Isolationsexperiment herausgefunden. Die Resultate haben sie im Fachblatt „Nature Neuroscience“ veröffentlicht. Menschen verlangen nach einiger Zeit der Einsamkeit genauso nach anderen Menschen wie sie bei Hunger nach Essen verlangen. Die MIT gilt als eine der weltweit führenden Spitzenuniversitäten.

Wie sieht es in Deutschland aus?

Laut einer aktuellen Studie des Instituts für deutsche Wirtschaft fühlen sich in Deutschland über acht Millionen Menschen oft oder immer einsam. Auffällig sei, dass es zwischen den untersuchten Altersgruppen kaum einen Unterschied gebe. Soll heißen, Einsamkeit betrifft Jung und Alt.

Dennoch leiden ältere Menschen besonders unter Einsamkeit, und genau diese Bevölkerungsgruppe wird gerade jetzt in Senioren- und Pflegeheimen und in den Krankenhäusern allein gelassen. Körperliche Gebrechen und der Tod von Wegbegleitern kommen erschwerend hinzu. Die Studie betont jedoch, dass sich oft auch Menschen in der Lebensmitte (46-55 Jahre) sowie junge Erwachsene (26-35 Jahre) einsam fühlen.

Alleinsein und soziale Isolation

Doch gerade auch Arme und Kranke fühlen sich häufig isoliert. In Deutschland berichteten zuletzt 18 Prozent der Befragten mit einem schlechten Gesundheitszustand von Einsamkeit – mehr als doppelt so viele wie unter den Gesunden. Und wen wundert es – auch Armut befördert das Gefühl von Einsamkeit, und nun sind ganz viele Menschen von den direkten wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie zusätzlich betroffen. Viele machen sich Sorgen und haben Angst um ihre Zukunft.

Wer sich ohnehin schon kaum etwas leisten kann, trifft sich seltener oder gar nicht mehr mit Freunden und Bekannten. Die Folge: Arme Menschen fühlen sich ausgegrenzt und können kaum noch am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Das macht erst recht krank und einsam.

Dazu kommt, dass Einsamkeit von den Betroffenen oft als Makel empfunden wird und es daher vielen schwerfällt, darüber zu sprechen. Sie befürchten, für schwach gehalten zu werden und wollen andere damit nicht belasten. Nur, es hilft ganz sicher, über die Einsamkeit zu reden. Der Eindruck, allein auf der Welt zu sein, sich unverstanden und ausgeschlossen zu fühlen, ist belastend, denn Kontakt und Zugehörigkeit sind lebenswichtig.

„Wir können nicht ohne andere Menschen leben, denn eigentlich ist das Menschsein in der Evolution dadurch entstanden, dass wir wie kein anderes Lebewesen miteinander kooperieren, miteinander Pläne schmieden, miteinander Lösungen finden. Und eigentlich ist es das, was uns auch so besonders macht“, meint der Neurowissenschaftler Henning Beck in einem Gespräch mit dem mdr.

Der mdr schreibt auch: „In einem Punkt sind sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einig: Einsamkeit schlägt sich auf unsere Gesundheit nieder, nicht nur psychisch, sondern auch physisch. Es gilt also, dieses Gefühl gesellschaftlich ernst zu nehmen“. Der Mensch ist ein soziales Wesen und nicht für das Alleinsein geschaffen.

In einem sind sich alle Seiten einig: Einsamkeit ist eine der größten sozialen Herausforderungen der kommenden Jahre. Es gibt Millionen einsamer Menschen, die Hilfe benötigen. „Es braucht gar nicht schlimmer zu werden, um schlimm zu sein“, sagt der Soziologe Dr. Janosch Schobin von der Uni Kassel der Frankfurter Rundschau.

„Das Problem der Einsamkeit zu Weihnachten droht zu eskalieren“ titelte die Welt. Die Pandemie wird uns ans kollektive Gemüt gehen, das steht schon einmal fest. Es kommt das Gefühl auf, dass wir in einer sehr entfremdeten Gesellschaft leben.

Wege aus der Einsamkeit

Maike Luhmann, Psychologie-Professorin an der Ruhr-Uni Bochum meint: „Prinzipiell sind Menschen weniger einsam, je mehr tiefe Beziehungen sie haben und je mehr sie sich zugehörig fühlen.“

Verschiedene Einrichtungen bieten Menschen, die sich einsam fühlen, eine Beratung an. Nachfolgend eine Auswahl an Hilfsangeboten:

Bleibt gesund und schaut nach euren Nächsten.

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