Guter Schlaf

Statussymbol und Luxusgut?

Wir sind im tiefsten Winter angekommen, und die Nächte sind sehr lang. Da kann man sich schon einmal die Frage stellen, wie steht es eigentlich um unseren Schlaf? Schlaft ihr gut? Und es stellt sich noch eine weitere Frage: Ist erholsamer Schlaf mittlerweile ein Luxusgut?

Dass viele Menschen schlecht und zu wenig schlafen, ist mittlerweile reichlich bekannt. Schlaf ist lebenswichtig für unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit. Zu wenig oder schlechter Schlaf hat verheerende Auswirkungen auf unsere mentale Gesundheit. Schlaf wird künftig zu einem zentralen Pfeiler der Gesundheitsvorsorge werden.

Wissenschaftler haben hierfür das Schlafverhalten von 10.000 Menschen untersucht. Das Ergebnis: Die optimale Schlafdauer liegt zwischen sieben und acht Stunden, es darf aber auch gerne mehr sein.

Im Laufe eines Lebens verbringt der Durchschnittsmensch etwa ein Drittel seines Lebens im Bett. In der Realität ist qualitativ hochwertiger Schlaf für viele jedoch eine Rarität geworden. Neue Technologien, Digitalisierung, mobile Arbeitsformen und flexible Lebensstile bringen uns regelrecht um einen gesunden Schlaf. In unserer Gesellschaft gilt, wer länger und härter als andere arbeiten kann und mit sehr wenig Schlaf auskommt, wird sogar dafür noch bewundert.

Doch das ist Raubbau am eigenen Körper: “Bei Menschen können anhaltende Intervalle totalen Schlafmangels von 72 Stunden zu schweren psychischen und emotionalen Symptomen führen”, sagt Dr. Ebrahim, medizinischer Direktor des London Sleep Centre.

“Ein verringerter Gesamtschlaf über einen längeren Zeitraum hinweg (Schlaflosigkeit) führt zu einer Zunahme berichteter Symptome von Angstzuständen, Depressionen und über einen längeren Zeitraum zu einer verminderten Immunreaktion sowie zu einer Zunahme von Herz- und Stoffwechselstörungen wie Diabetes und Adipositas.”

Schlechter Schlaf mindert zudem die Lern- und Erinnerungs- sowie die Leistungsfähigkeit und trägt zur Entstehung von Krebs bei. Eine Studie der RAND Corporation von 2021 beziffert den wirtschaftlichen Verlust durch schlechten Schlaf allein in den Vereinigten Staaten mit 411 Milliarden Dollar – das sind 2,28 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

„Schlafen kann ich, wenn ich tot bin“, meinte Rainer Werner Fassbinder und wurde nur 37 Jahre alt. 1969 wurde Fassbinder bei einer ärztlichen Untersuchung mitgeteilt, er habe ein schwaches Herz und solle sich nicht überbelasten. Das hielt ihn nicht davon ab, wie ein Irrer zu arbeiten und nur drei oder vier Stunden am Tag zu schlafen. So exzessiv wie er arbeitete, lebte er auch. Fassbinder war ein Workaholic, auch wenn man das Wort zu seinen Lebzeiten noch gar nicht kannte. Vorbildlich war das mit Sicherheit nicht. Und trotzdem gilt er immer noch als Genie.

Nun sollte man meinen, die Gesellschaft hätte aus Geschichten wie diesen etwas gelernt. Doch der Arbeitswahn sollte in den 90ern erst richtig Fahrt aufnehmen und hält bis heute an.

Langschläfer sind den Frühaufstehern überlegen

Wer erfolgreich ist, schläft höchstens fünf Stunden am Tag? In Wirklichkeit gehören nur ein bis drei Prozent der Bevölkerung zur sogenannten schlaflosen Elite, die mit recht wenig Schlaf auskommt und trotzdem leistungsfähig ist.

Für alle anderen gilt, minimal sieben Stunden sollten es durchschnittlich pro Nacht sein. Es solle sogar Zeitgenossen geben, die täglich zehn Stunden mühelos schlafen können. Von Albert Einstein sagt man, er habe zwölf Stunden am Tag geschlafen. Und tatsächlich findet man auch unter den reichsten Menschen der Welt richtige Langschläfer.

Im Schlaf regeneriert sich der Körper. Wunden sollen besser heilen, Zellen schneller wachsen. Von Menschen, die tief und lange schlafen, sagt man, sie schlafen wie ein Stein, wie ein Baby oder wie ein Murmeltier.

Und um noch mit einem weiteren Vorurteil aufzuräumen: Im Volksmund heißt es ja, der frühe Vogel fängt den Wurm, aber auch das ist ein Irrtum. Intelligenter sollen neusten Erkenntnissen zufolge die Nachteulen sein – zumindest, wenn man das Sprichwort auf den Menschen überträgt. Aktuelle Studien deuten darauf hin, dass Langschläfer den Frühaufstehern in puncto Intelligenz, Kreativität und Erfolg am Arbeitsplatz überlegen sein könnten, schreibt die BKK.

Schlaf ist die beste Medizin

Im Schlaf speichert, filtert und verwirft unser Gehirn Informationen aus der Wachzeit. Schlaf ist nicht nur die beste Medizin, sondern wirkt sich auch positiv auf den gesamten Körper aus. Schlaf ist ein Wundermittel und wird leider viel zu häufig unterschätzt. In der wichtigsten aller Schlafphasen, der Tiefschlafphase, regenerieren sich unser Körper und unser Geist. Physisch und psychisch ist der Tiefschlaf deswegen auch die erholsamste Schlafphase.

Wir müssen weg von der Workaholic-Kultur des 20. Jahrhunderts, die im Schlaf nur den Sinn sieht, am nächsten Tag performen zu können, meint der K-Hole-Gründer Seth Monahan. K-HOLE ist eine Trendprognosegruppe mit Sitz in New York. Es wurde von Greg Fong, Sean Monahan, Chris Sherron, Emily Segal und Dena Yago gegründet.  „Die Schlaflosen sind die neuen Raucher: ausgezehrt, blass und schuld an unnötigen nationalen Gesundheitskosten“, stellt Monahan fest.

Eine ganze Industrie rund um Schlafmittel

Die Zahlen sprechen für sich selbst: Die American Sleep Association (ASA) berichtete, dass 35,3% der amerikanischen Erwachsenen weniger als 7 Stunden in einem 24-Stunden-Zeitraum schlafen, und dass zwischen 50 und 70 Millionen Erwachsene an Schlafstörungen leiden. In allen anderen Nationen dürfte es nicht besser aussehen.

“Wir wollen beschäftigt wirken, und das drücken wir unter anderem dadurch aus, dass wir verkünden, wie wenig Schlaf wir bekommen”, erklärte Schlafforscher und Autor Matthew Walker in “Das große Buch vom Schlaf” 2017 in einem Interview mit vogue.de. „Es ist ein Statussymbol.“ Doch anstatt unsere Besessenheit von Produktivität zu überdenken, schaffen wir jetzt eine ganze Industrie rund um Schlafmittel – eine Industrie, die bis 2025 auf etwa rund 98,2 Milliarden Euro weltweit geschätzt wird.

Wir sollten anfangen, den Schlaf zu einer Priorität in unserem Leben zu machen.

Der Luxus einer guten Nachtruhe

Schlaf ist zur Ware geworden, die ihren eigenen Markt hat: eine Multimilliarden-Industrie, schreibt der britische Telegraph. Die Industrie hat schon längst das Geschäft mit dem Schlaf für sich entdeckt. Angeboten werden u.a. Luxus-Matratzen, Schlafapnoe-Therapiegeräte, Augenmasken, Aromatherapie-Öle, Eiderdaunendecken und Eiderdaunenkissen. Sleep Hackers“ versuchen, dem Schlaf mit Technik beizukommen. Sie tracken den Schlafrhythmus mit smarten Matratzen.

Und der letzte Schrei. Die smarte Schlafmaske Neuroon stimuliert luzide Träume, indem sie während der REM-Phase leichte Lichtblitze auslöst. Weiter geht es mit Schlafmeditation und Apps zur Schlafverfolgung, Pyjamas, Bettwäsche und Laken aus Bio-Seide, also „Nie mehr schlaflos“ dank stylischem Schlafanzug?

Und sogar Schlafkissen fürs Büro und vieles mehr bietet heute der Markt. In vielen Wohnungen ist das Bett wohl das teuerste Möbelstück geworden, seit vor ein paar Jahren der Boxspring-Trend aus den USA über den Erdball schwappte. Das Bett soll zum Sehnsuchtsort der westlichen Welt geworden sein, heißt es. Das alles ist oder soll der Luxus einer guten Nachtruhe sein?

Schlaf wird zum Schlüsselfaktor des Erfolgs

In einem Gastkommentar für „Welt-Online“ schreiben Daniela Tenger und Karin Frick: „Kampf der Übermüdung: Ausreichende Ruhe ist die Grundlage von allem.“ Sie schreiben: „Viel zu schlafen wird zum neuen Statussymbol in der Welt der Leistungsträger und Manager.“

Langschlaf wird zum Synonym für Ehrgeiz, Kreativität und Erfolg, der frühere Kult um den Kurzschlaf als Macho-Gebaren entlarvt. Die kommerzielle Entsprechung solcher Etiketten findet sich in der Luxushotellerie, die ihre Klientel mit den Verheißungen exklusiver Schlaferlebnisse in maßgeschneiderten Bettensystemen lockt.“

Auch das Nickerchen zwischendurch wird wieder sehr beliebt. Eine kurze Erholzeit um die Tagesmitte soll sogar sehr gesund sein. Längst ist auch wissenschaftlich bewiesen, dass ein Mittagsschlaf ein probates Mittel ist, um sich effizient für die zweite Tageshälfte zu stärken. Da macht ein Schlafkissen fürs Büro doch tatsächlich Sinn.

Schlaft gut, und bleibt gesund!

 

 

Quellen:

Gottlieb Duttweiler Institut Studie „Die Zukunft des Schlafens“

vogue.de, telegraph, welt

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