Keine Angst vor dem Alter

Wir werden immer älter

„Jugend und Schönheit“ zum Trotze, alt werden trifft uns alle, auch wenn der Spruch „Man ist so alt wie man sich fühlt“ heute mehr denn je seine Richtigkeit hat. Man denke nur an den Song von Udo Jürgens: „Mit 66 Jahren da fängt das Leben an. Mit sechsundsechzig Jahren, da hat man Spaß daran. Mit sechsundsechzig Jahren, da kommt man erst in Schuss. Mit sechsundsechzig ist noch lange nicht Schluss.“

Niemals zuvor waren ältere Menschen so aktiv wie heute. Sie treiben Sport, auch im hohen Alter. Menschen im sogenannten besten Alter sind heute leistungsfähiger, mobiler und gesünder als noch die Generationen vor ihnen, und auch die Lebenserwartung steigt weiterhin an.

Über die letzten Jahrzehnte hat sich das mittlere Lebensalter deutlich ausgeweitet, die „jungen alten” Menschen zwischen 60 und 75 sind aktiv und gesund. Nur stellt sich oftmals die Frage, ab wann ist man ein Senior oder eine Seniorin?

Ab wann ist man eine Seniorin oder ein Senior?

Im beruflichen Umfeld sind Mitarbeiter mit Seniorentitel in der Regel 45 plus Jahre alt. Ab diesem Zeitpunkt wird es auch schwieriger, einen neuen Job zu finden. In Marketingstudien gelten Menschen ab 50 Jahren als Senioren. Im Gesundheitsbereich richtet sich der Begriff „Senior“ an Personen ab 70. Der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Seniorenbeiräte im Kreis Schleswig-Flensburg ist 71 Jahre alt und pragmatisch. „Senioren sind alle ab 60“, sagt er, „auch wenn sie es nicht einsehen, weil sie nicht alt sein wollen. “

In Deutschland werden Menschen zwischen 60 und 75 oft als „ältere“ Menschen, 75- bis 90-Jährige als „alte“ und 90- bis 100-Jährige als „sehr alt“ bezeichnet. Menschen, die über 100 Jahre alt sind, werden auch „Langlebige“ genannt.

Angst vor dem Alter

Anxiety About Aging („Angst vor dem Altern“) – meist kurz Aging Anxiety – beschreibt negative Gefühle und Ängste, die mit dem Älterwerden verbunden sind. Als eigenständiger Fachbegriff wurde er 1993 von Kathleen P. Lasher und Patricia J. Faulkender geprägt. Die Gerascophobie oder Altersangst ist eine Angststörung. Darunter versteht man entweder die Angst davor, zu altern, oder die Angst davor, alt zu sein.

Nach der Definition der Weltgesundheitsorganisation WHO gilt als alt, wer das 65. Lebensjahr vollendet hat. Von einem „geriatrischen Patienten“ wird in Deutschland und auch in Amerika erst ab einem Alter von 70 Jahren gesprochen.

Nicht wenige stellen sich die Frage, in welchem Alter man am meisten altert. Um das herauszufinden, haben Forscher 4200 Probanden zwischen 18 und 95 Jahren untersucht. Genauer gesagt, haben sie mehr als 3000 Eiweißstoffe in deren Blut unter die Lupe genommen. Ihr Ergebnis: Es gibt drei Altersstufen, in denen es besonders auffällige Veränderungen im Blut gibt: im Alter von 34, 60 und 78 Jahren.

Immer mehr 100-Jährige auf der Welt

Die weltweite durchschnittliche Lebenserwartung beträgt 73,4 Jahre, jedoch erreichen heute immer mehr Menschen den hundertsten Geburtstag.

Eine Studie analysierte die hundertjährige Bevölkerung und ihre prozentuale Veränderung in den letzten 20 Jahren auf der ganzen Welt, um herauszufinden, welche Nationen die meisten Hundertjährigen haben.

Deutschland belegt mit 23 Hundertjährigen pro 100.000 Einwohner den 20. Platz. Hier ist die Zahl der Hundertjährigen in nur zwei Jahrzehnten um über 73 % gestiegen.

Guadeloupe führt mit 75 Hundertjährigen pro 100.000 Einwohner. Diese Insel hat fast 80 % mehr Hundertjährige als im Jahr 2000, was bedeutet, dass der karibische Lebensstil dieses französischen Überseegebiets die Langlebigkeit wie kein anderes auf der Welt zu fördern scheint.

An zweiter Stelle steht Barbados. Diese unabhängige britische Commonwealth-Nation hat 71 Hundertjährige pro 100.000 Einwohner – mehr als 78 % mehr als im Jahr 2000.

Auf dem dritten Platz landet ein karibischer Nachbar der Top 2, Martinique. Der Staat, dessen Kultur eine faszinierende Mischung aus französischen und westindischen Einflüssen ist, hat 63 Hundertjährige pro 100.000 Einwohner, ein Anstieg von 83 % in einem Zeitraum von 20 Jahren. Wir können also davon ausgehen, dass sich die Hundertjährigen in den kommenden 20 Jahren deutlich vermehren werden.

Altendiskriminierung ist ein großes Problem

Viele ältere Menschen haben auch Angst vor gesellschaftlicher Altersdiskriminierung. Der Ausdruck Altersdiskriminierung bezeichnet eine soziale und ökonomische Benachteiligung von Personen oder Gruppen aufgrund ihres Lebensalters.

Den Betroffenen wird es im Falle einer Diskriminierung erschwert, in angemessener Weise am Arbeitsleben und am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, kann man bei Wikipedia nachlesen.  Zahlreiche Studien zeigten, dass die Angst vor Altersdiskriminierung nicht unbegründet ist, da die meisten Menschen zumindest mildere Formen von Vorurteilen gegenüber Älteren hegen. Man sollte das Problem also nicht kleinreden. Altersdiskriminierung ist weit verbreitet und eine Praxis, die schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit älterer Erwachsener hat.

Alltägliche Altersdiskriminierung: im Job, im Pflegeheim, im Verkehr. Wie wir denken und wie wir fühlen bestimmt zu weiten Teilen unsere Handlungen. Und so führen negativen Annahmen über das Altern und das Alter immer wieder zu Ungleichbehandlung, Benachteiligung und Diskriminierung.

Die Rolle der Medien

Welche Rollen spielen die Medien dabei? Die Medien suggerieren uns, dass die Alten eine Belastung für die Gesellschaft seien. Altersbezogene Ängste können zur Entsolidarisierung der Gesellschaft beitragen. Nach Simone de Beauvoir dienen die bürgerlichen Ideologien entspringenden Mythen und Klischees über das Alter dem Zweck, aus dem alten Menschen einen anderen zu machen und einen Keil zwischen Werktätige und „Nicht-Werktätigezu treiben.

Gut zu wissen: Erdman B. Palmore, ein amerikanischer Gerontologe und emeritierter Professor für medizinische Soziologie an der Duke University, geht davon aus, dass sich die verbreiteten, aber nicht krankheitswertigen Ängste vor dem Älterwerden dadurch mindern lassen, dass darüber informiert wird, dass die meisten alten Menschen bis kurz vor ihrem Tod relativ gesund und tüchtig bleiben.

Studien zeigen: Selbst wer erst ab einem Alter von 60 anfängt, Sport zu treiben, kann die Fitness seiner Zellen verbessern und den Alterungsprozess verlangsamen. Als besonders wirkungsvoll gelten Ausdauersportarten wie Jogging und Schwimmen, aber auch Krafttraining.

Die hormonelle Situation sowie die Lebensqualität kann durch ein Muskelaufbautraining gesteigert werden. Senioren sollten sich dafür in ein zertifiziertes Gesundheitsstudio begeben. Mit einem individuellen Trainingsplan ist es selbst im hohen Alter noch möglich, Muskeln aufzubauen. Studien zeigen, trainierte 60-Jährige haben das gleiche Fitnesslevel wie 30-Jährige, die keinen Sport machen.

Angst vor dem Alter

Die Sozialpädagogin und damalige deutsche Bundesfamilienministerin Rita Süssmuth sprach sich 1988 gegen das Ansinnen aus, Ängste im Allgemeinen und die Altersangst im Besonderen ausrotten zu wollen.

Lähmende Angst sei zwar zu vermeiden, die „menschenschützende, vielleicht auch entlastende Kraft der Angst“ gelte es dagegen zu bewahren. Dabei ging es ihr um die Fähigkeit, menschliche Schwäche und Gebrechlichkeit eingestehen zu können.

Die Gesellschaft stünde an einem Wendepunkt, an dem die Menschen wieder akzeptieren müssten, dass der Tod zur menschlichen Wirklichkeit gehört, doch dürfe dies gerade nicht dazu führen, alles einfach hinzunehmen.

Durch den Eintritt in eine zivilisatorische Epoche, in welcher der Mensch weniger Angst vor der Natur als vor dem Menschen selbst und seinem zerstörerischen Potenzial habe, sei es diese Angst, die die Jugend am stärksten von allen anderen Altersgruppen trenne.

„Deswegen habe ich dafür plädiert, dass wir uns die Altersangst erhalten – vielleicht sollte ich auch sagen: Erhalten wir uns ein Stück der konstruktiven Lebensangst. Sie verbindet zwischen den Generationen und muss nicht trennen.“ – Rita Süssmuth 1988.

Wir bleiben dabei, niemand sollte Angst vor dem Alter haben.

 

Quellen:

Herrad Schenk: Der Altersangst-Komplex: Auf dem Weg zu einem neuen Selbstbewusstsein. C. H. Beck, München 2005

Simone de Beauvoir: La Vieillesse. Éditions Gallimard, Paris 2020 (Erstausgabe 1970)

Erdman B. Palmore: Ageism: Negative and Positive. Springer, 2. Auflage 1999

Rita Süssmuth: Alte und neue Klischees zum Generationenverhältnis. In: Hilmar Hoffmann (Hrsg.): Jugendwahn und Altersangst. Athenäum Verlag, Frankfurt am Main 1988

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