Urban Gardening

Obst und Gemüse frisch aus dem Garten

Da der Frühling vor der Tür steht, heißt es nun ab in den Garten, Gemüse und Obst anbauen und die Setzlinge ausbringen. Urban Gardening oder Homefarming heißt der neue Trend zur Selbstversorgung, sogar auf engstem Raum auf dem eigenen Balkon oder der Terrasse. Der wunderbare Nebeneffekt ist dabei, dass Gartenarbeit nicht nur gesund ist, sondern auch noch sehr beruhigend auf unsere Seele wirkt.

Bevor wir dazu kommen, erst einmal eine kleine Geschichte, wie wir zu unseren Gärten gekommen sind.

Angefangen mit den Obstgärten, die es schon bei den Römern gab. Sie brachten die nicht heimischen Süßkirschen, Birnbäume, Apfelbäume, Zwetschgen und auch die Walnuss nach Mitteleuropa. Schon im antiken Griechenland wurde der Obstanbau kultiviert, aber erst die Römer verbreiteten ihn in ganz Mitteleuropa. So wurde im Gebiet der Mosel schon seit dem 2. Jahrhundert der Obstanbau betrieben.

In den Klöstern wurde der Gartenbau kultiviert

Später haben dann die mittelalterlichen Klöster den Gemüse- und Obstanbau weitergeführt und entwickelt. Dabei entwickelten sie spät blühende und frostunempfindliche Sorten auch für raue Gebirgslagen. Dass in den Klöstern auch der Weinanbau schon frühzeitig betrieben wurde, ist ja hinlänglich bekannt. Die Techniken und Sorten für den Obstanbau haben die Mönche wohl aus Tirol, Oberösterreich und Böhmen übernommen.

Der Nutzgarten dient den Menschen hauptsächlich zur privaten Erzeugung von Nutzpflanzen, wie z. B. Kräutern, Obst und Gemüse als Nahrungsmittel. Nur, bis der normale Bürger in den Genuss von eigenem Obst und Gemüse kam, war es noch ein langer Weg und es vergingen noch einige Jahrhunderte.

Das lag daran, dass der gemeine Bürger ja keinen eigenen Grund und Boden besaß, dieser gehörte dem Adel oder der Kirche. Erst mit dem Aufstieg des Großbürgertums wurden separate Obst- und Gemüsegärten neben den Lustgärten der herrschaftlichen Häuser angelegt. Diese nannte man früher Küchengärten.

Heute besitzt fast jeder zweite Privathaushalt einen eigenen Garten. In Deutschland gibt es 17 Millionen Gärten, wobei in den südlichen Ländern Europas deutlich mehr Leute einen Garten haben als hierzulande.

Die Schrebergärten brachten die Wende

Einen großen Sprung zum eigenen Obst und Gemüse verdanken wir den Schrebergärten. Der deutsche Orthopäde und Hochschullehrer Daniel Gottlob Moritz Schreber eröffnete 1865 auf dem Schreberplatz am Johannapark in Leipzig eine Wiese, die er für Kinder zum Spielen und Turnen andachte. Erst der Lehrer Heinrich Karl Gesell legte am besagten Ort die ersten Beete und Gärten als Beschäftigungsmöglichkeit für Kinder an.

Bei Wikipedia kann man über den Arzt lesen:

„In seinen Schriften beschäftigte er sich vor allem mit der Gesundheit der Kinder und den sozialen Folgen des Stadtlebens zu Beginn der Industrialisierung. Neben „systematischer Heilgymnastik“ warb er auch für eine Ertüchtigung der Stadtjugend durch Arbeit im Grünen, etwa in Armen- und Spezialgärten, da das Umfeld der Mietskasernen wenig entsprechende Möglichkeiten bot“.

Aber die bekannten Schrebergärten gehen nicht auf eine Initiative Schrebers zurück. Der erste „Schreberverein“ wurde nach Schrebers Tod 1864 von dem Leipziger Schuldirektor Ernst Innozenz Hauschild gegründet und Schreber zu Ehren nach ihm benannt. Heute gibt es bei uns über eine Million Schrebergärten und man wäre nicht in Deutschland, wenn das nicht ganz genau von den Behörden reguliert würde.

Die Fläche eines einzelnen Gartens ist auf maximal 400 Quadratmeter begrenzt. Die darauf stehende Laube darf nur eine einfache Ausführung haben und ist auf höchstens 24 Quadratmeter Grundfläche einschließlich überdachtem Freisitz begrenzt. Zudem darf die Laube nicht zum dauerhaften Wohnen geeignet sein. So steht es im Bundeskleingartengesetz.

Vom Schrebergarten zum Kleingarten, aus der Not geboren

In Europa entstanden die ersten Kleingärten schon vor 200 Jahren. Um ihren Ernährungsbedarf zumindest teilweise selbst zu decken, konnten Familien Land pachten. In Deutschland entstanden die ersten Kleingärten vor etwa 150 Jahren. Notgedrungen gaben Anfang des 19. Jahrhunderts schon einige Gemeinden den Ärmsten der Bevölkerung ein Stück Land zum Obst- und Gemüseanbau, um sich selbst versorgen zu können.

Auf dem Land war die Selbstversorgung zu jener Zeit für eine breite Bevölkerungsschicht schon selbstverständlich, in den Städten hingegen nicht. Während der Industrialisierung in Europa wurde die Erwerbsarbeit unterhalb des Existenzminimums bezahlt und so wurde nach neuen Formen der Versorgung mit Lebensmitteln für die Stadtbevölkerung gesucht, um die Armut und den Hunger in den Städten zu mildern.

Nachweislich ist überliefert, dass der erste Versuch in der Stadt Kiel gestartet wurde. 59 Familien bekamen je 256 Quadratmeter Land in Stadtnähe zugewiesen. Das Ganze machte dann schnell Schule.

Der Weg zur Selbstversorgung

Nach Ausbruch des 1. Weltkrieges zweifelte niemand mehr in der Bevölkerung und der Politik an der Notwendigkeit eines eigenen Gartens in Stadtnähe zur Lebensmittelversorgung. Es war der Gartengestalter und Siedlungsplaner Leberecht Migge, der während und nach dem Krieg das Konzept der Selbstversorgung entwickelte. Sein Konzept verlangte, dass jeder über ausreichend Gartenland verfügen können müsse, um die für die eigene Ernährung notwendigen Lebensmittel anbauen zu können.

Bei Wikipedia heißt es dazu: „Selbstversorgung bezeichnet in erster Linie eine autonome – von anderen Personen, Gemeinschaften, Institutionen oder Staaten unabhängige Lebensführung. In der Alltagspraxis spricht man von Selbstversorgung, wenn sich Menschen materielle Grundlagen des täglichen Lebens (Nahrung, Kleidung, Wohnung usw.) zu einem großen Teil selbst erschaffen und nicht nur auf die im Markt angebotenen Produkte zurückgreifen. Dies betrifft insbesondere den Eigenanbau und die Herstellung von Nahrungsmitteln und deren Konservierung“. Also eine eigene Agrarproduktion. Auch Mahatma Gandhi hat später gefordert, dass der Bevölkerung Land zur selbst bestimmten Produktion von Lebensmitteln zur Verfügung gestellt werden muss.

Die Ökobewegung 

Irgendwann war es dann vorbei mit der Selbstversorgung in der westlichen Industriegesellschaft. Die Klein- und Schrebergärten wurden nun zu Ziergärten, da die Bevölkerung mit billigen Lebensmitteln versorgt werden konnte. Die mühselige Arbeit im Garten war nun nicht mehr angesagt.

Hier könnte man nun sagen „Tote leben länger“ als man glaubt. Der Abgesang auf den eigenen Obst- und Gemüsegarten war wohl zu früh, denn nun kam die Öko-Bewegung auf und die setzte wieder auf den eigenen Anbau von biologisch angebautem Obst und Gemüse ohne Pestizide im eigenen Garten.

Dieser Trend hat sich in den letzten 20 Jahren immer weiter verstärkt und ein Ende ist nicht abzusehen, da die Bürger immer mehr – und nicht nur bei Lebensmitteln –Wert auf Nachhaltigkeit legen. Obst und Gemüse aus eigenem Bio-Anbau sind nicht belastet.
Hinzu kommt, dass die Gartenarbeit entspannt, die Nerven beruhigt und man durch die Bewegung auch noch gesund bleibt.

Obstsorten im eigenen Garten

Welche einheimischen Obstsorten werden in deutschen Gärten am meisten angebaut? Da wäre zuerst der Apfel. Er ist in Deutschland das beliebteste Obst, gefolgt von der Birne und der Quitte, die zum Kernobst aus der Familie der Rosengewächse gehören.

Ganz beliebt sind auch Aprikosen, Brombeeren, Erdbeeren, Himbeeren, Heidelbeeren, Johannisbeeren, Stachelbeeren, Kirschen, Pflaumen, Marillen, Trauben und der Rhabarber. Der Rhabarber wird oftmals von vielen für Obst gehalten, da er in erster Linie zu Süßspeisen wie Kompott, Kuchen und Marmelade verarbeitet wird. Botanisch gehört er aber zum Gemüse, da nicht der Fruchtstand, sondern die Stängel gegessen werden.

Gemüse aus dem eigenen Garten

Im eigenen Gemüsegarten kann man folgendes Gemüse anbauen: Blumenkohl, Gurken, Erbsen, Brokkoli, grüne Bohnen, dicke Bohnen, Spargel, Möhren, Spinat, Kohlrabi, Tomaten, Radieschen, Zucchini, Champignons, Wirsing, Blumenkohl, Chicorée und Chinakohl. Kurz gesagt: Wer einen eigenen Garten hat, braucht, zumindest was das Gemüse angeht, keinen Supermarkt mehr.

Urban Gardening oder Homefarming

In den letzten Jahren ist ein neuer Trend aufgekommen, der Trend zum Urban GardeningDa viele Städter keinen eigenen Garten haben, wird nun der Balkon als Lebensmittellieferant genutzt. Man könnte auch sagen „Not macht erfinderisch“. Es braucht nicht viel Platz, um Gemüse und Obst auf dem Balkon oder der Dachterrasse anzubauen. Voraussetzung ist nur, dass der Balkon oder die Terrasse eine Südseite haben, denn ohne Sonne kann nicht viel wachsen.

Alles, was man zum Anbau braucht, sind Balkonkästen, Kübel, Erde und Saatgut, und schon kann es losgehen. Regelmäßiges Gießen solltet ihr auch nicht vergessen. Auch wer nicht viel Platz hat, kann seinen Traum vom eigenen Gemüse und Obst verwirklichen. Dazu gibt es vertikale Lösungen mit Pflanztaschen für die Wände oder das beliebte Hochbeet. Diese lassen sich mit Erdbeeren, Kräutern und Salaten bepflanzen.

Auf eurem Balkon oder der Terrasse könnt ihr folgendes Gemüse und Obst anbauen: Buschbohnen, Paprika, Tomaten, Gurken, Pflücksalate, Zucchini, Radieschen, Erbsen, Zuckerschoten, Mairüben, Auberginen, Kartoffeln, Peperoni, mediterrane Kräuter und auch Mangold. Für halbschattige Plätze sind Möhren, Mangold und Radieschen geeignet. Aus Kübeln lassen sich hervorragend Erdbeeren, Himbeeren, Brombeeren, Stachelbeeren, Heidel- und Blaubeeren, Feigen, Pfirsiche und die Ananaskirsche ziehen. Wie ihr seht, ist das doch sehr reichhaltig.

Das Ganze hat gegenüber dem Garten noch einen Vorteil. Da die Pflanzen vor Regen oder Spritzwasser auf dem Balkon oftmals geschützt sind,fällt keine Braunfäule an und auch gefürchtete Pilzkrankheiten kommen nicht vor. Dadurch gibt es vom Balkon deutlich mehr Früchte als aus dem Beet.

Wer noch einen Schritt weiter gehen will und die Möglichkeit hat, sich fernab der Stadt ein Häuschen mit Garten zu sichern, kann sich auch viele interessante Tipps und Insights in Judith Rakers neuem Buch „Homefarming“ holen. Die bekannte Tagesschausprecherin hat es als absoluter Gartenneuling geschafft, ihren „Traum vom eigenen Garten“ für sich umzusetzen. Sie baut ihr eigenes Obst und Gemüse an, hält eine kleine Hühnerschar, verarbeitet Ernte und Eier in leckeren Rezepten und hat darin ihr ganz großes Glück gefunden. In „Homefarming“ erklärt sie anfängergerecht, wie sie in ihren ersten beiden Jahren als Selbstversorgerin schrittweise vorgegangen ist, welche Erfahrungen sie gemacht hat und dass auch Fehler dazugehören und was man aus ihnen lernen kann.

Wir wünschen euch viel Spaß und Inspiration beim Homefarming!

Quellen:

Judith Rakers: Homefarming – Selbstversorgung ohne grünen Daumen, GU Verlag 2021

John Seymour: Selbstversorgung aus dem Garten: Wie man seinen Garten natürlich bestellt und gesunde Nahrung erntet, Urania, Freiburg 2009

Michael Pollock: Obst- und Gemüseanbau: Die praktische Enzyklopädie. 150 Obst-, Gemüse- und Kräuterarten. Mit ausführlichen Pflanzenporträts: Standort, Boden, Aussaat, … Tipps zu Lagerung und Schädlingsbekämpfung, Dorling Kindersley, München 2002

Leberecht Migge: Jedermann Selbstversorger, Jena 1919

Alfred Brauchle: Das Paradies des Kindes. Der Schrebergarten. Dr. med. Daniel Gottlieb Moritz Schreber. In: Derselbe: Geschichte der Naturheilkunde in Lebensbildern. 2., erweiterte Auflage von Große Naturärzte. Reclam, Stuttgart 1951, S. 184–190

Inge Meta Hülbusch, Jedermann Selbstversorger. Das koloniale Grün Leberecht Migges, in: Nachlese Freiraumplanung, Kassel, 1991, S. 1–16. Ulrich Linse, Ökopax und Anarchie. Eine Geschichte der ökologischen Bewegungen in Deutschland, dtv München, 1986, S. 85 ff.

Outdoor Active
Gesund leben
healthy air